Relevanz schaffen

- Neues entdecken lassen
- Mehrwert anbieten
- Gegensätze verknüpfen
- Reizthemen ansprechen

Drehen wir das Ganze erst mal um: Es gibt nur zwei Gründe, warum man ihnen nicht zuhört: Ihr Thema ist nicht relevant, oder dem Publikum schon bekannt. Klar sind das vierte Referat kurz vor dem Mittagessen oder die letzte Vorlesung am späten Nachmittag nicht unbedingt Momente der geballten Aufmerksamkeit. Dennoch hat es der Redner zunächst immer selber in der Hand, ob das Publikum abschaltet oder dranbleibt. Nur was ist für ihr Publikum relevant?

Wenn Sie die Bühne betreten hat jeder ihrer Zuhörer vor allem zwei Fragen: «Wie nützt mir das Gehörte?» – «Und was nützt es dem Redner?» Je schneller er darauf eine zufriedenstellende Antwort findet, desto eher ist er bereit dranzubleiben. Wir alle wollen nicht mit Werbung berieselt werden. Die Haltung des Redners ist darum entscheidend. Hier soll es aber vor allem darum gehen, wie ich in einer Präsentation dem Zuhörer aufzeigen kann, warum das Gehörte für ihn wichtig ist. Folgende fünf Punkte, illustriert anhand der meistgeklickten TedX-Talks können helfen ihr Publikum schon mit dem Einstieg zu fesseln.

Die Welt entdecken lassen

Schon als Babys haben wir einen unglaublichen Drang die Welt zu entdecken. Das verwachsen wir auch als Erwachsene nicht, sagt etwa der Entwicklungsmolekularbiologe John Medina («Talk like Ted«, 2014). Heute ist bekannt, dass unser Hirn Dopamin ausschüttet, wenn wir etwas Neues oder Unbekanntes wahrnehmen. Das Hormon macht nicht nur süchtig, es ist auch eine Art Dünger für unser Hirn und hilft uns Dinge besser zu behalten.

Ein guter Lehrer schafft es bei seinen Schülern Neugierde zu wecken. So sind sie aufmerksamer und können das Gelernte besser verarbeiten. Wenn Sie als Redner ihre Botschaft neu zu verpacken, in einer Art und Weise wie ihr Publikum sie noch nicht gehört hat. Dann wird man ihnen aufmerksam zuhören und positiv in Erinnerung behalten. Ein gutes und bekanntes Beispiel dafür kommt von Simon Sinek («How great leaders inspire action»).

Nutzen Sie dazu ihre eigene Geschichte, ihre eigene Perspektive auf ein Thema und geben sie ihm einen neuen Dreh. Achten sie sich ganz bewusst auf Alltagsgeschichten, die ihre Botschaft stützen. Schaffen sie beim Publikum Wissenslücken und befriedigen sie die gewonnene Neugierde mit ihren Informationen. Wenn sie bei der Vorbereitung etwas Neues gelernt haben, dann stehen die Chancen sehr gut, dass auch ihr Publikum ihnen gerne zuhört.

Mehrwert schaffen

«Sie haben gelacht, als ich mich ans Piano setzte – aber als ich dann zu spielen begann…» Die bekannteste Schlagzeilen des Werbetexters John Caples (1926) ist bis heute ein Vorzeigebeispiel, wie man die Aufmerksamkeit seines Publikums gewinnt. Einerseits weil sie Neugierde weckt, aber auch weil sie dem Publikum subtil einen Mehrwert verspricht.

Genau so wie diese, funktionieren auch heute viele Ted-X-Titel und Schlagzeilen in Online-Magazinen. Etwa der Talk des Kommunikationsexperten Graham Shaw («Why people believe they can’t draw – and how to prove they can«).

Dem Publikum wird ein konkreter Mehrwert versprochen und dieser dann auch eingehalten. Mit einer Anleitung, wie man einfach ein Gesicht zeichnet oder lernt ein Instrument zu spielen. Viele erfolgreiche Ted-Talks funktionieren nach diesem Muster («How to learn any language in six months» – «After watching this, your brain will not be the same» – «Wie man einen Lügner entdeckt«).

Je klarer für das Publikum ist, was es durch das Zuhören gewinnt, desto eher ist es bereit ihnen zu folgen. Dieses Prinzip ist keineswegs neu. Schon 1982 haben Psychologen in einer Werbung für Kabel-TV in Arizona genau das untersucht (Gregory, Cialdini, Carpenter, 1982 – in «Made to Stick ). Den potentiellen Kabel-TV Kunden wurden zwei unterschiedliche Infotexte abgegeben. Einer der den Nutzen neutral erklärt und ein anderer, der den direkten Nutzen für den Kunden anspricht. Die personalisierte Werbung hat dabei fast 50% häufiger zu einem Abschluss geführt. Sprechen Sie ihr Publikum also direkt an und zeigen Sie ihm den Nutzen ganz konkret auf («How to stay calm, when you know you’ll be stressed«).

Gegensätze verknüpfen

Einer der meistbeachteten Ted-Talks kommt vom Model Cameron Russel («Looks aren’t everything – believe me, I’m a model«). Geschickt und vor allem ehrlich beantwortet sie Fragen, die Menschen an Models haben und erlaubt so einen ungeschminkten Blick in dieses Business. Ihr Auftritt lebt davon, dass Schein und Sein zwei unterschiedliche Dinge sind.

Genau dieses Rezept funktioniert sehr gut um die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen. Wir alle haben das Verlangen hinter die Kulissen zu sehen. Wir alle wollen verstehen wie Dinge, etwa ein Zaubertrick funktioniert. Und wir sind fasziniert davon, wenn Dinge anders herauskommen, als wir das erwarten würden.

Die besten Motivationstalks kommen von Menschen, die uns überraschen. Menschen, die mit einem schweren Schicksal anders umgehen, als man das von ihnen erwarten würde. Etwa vom leider mittlerweile verstorbenen Sam Berns («My philosophy for a happy life»).

Zweifellos ist seine Persönlichkeit ein extrem starker Trigger um dran zu bleiben. Aber als Zuhörer will ich auch verstehen, wie er es schafft mit seiner Krankheit so positiv umzugehen. Darum bleibe ich dran.

Nutzen sie Gegensätze: Schein und Sein, Geburt und Tod, Erfolg und Misserfolg oder andere, um die Aufmerksamkeit ihres Publikums zu halten. Überraschen Sie ihre Zuhörer mit Dingen, die ihre Denkmodelle durcheinander bringen. Ein guter Startpunkt sind sie selber – was finden Sie an ihrem Thema ungewöhnlich? Welche Fakten haben Sie erstaunt? Gut funktionieren auch extreme und überraschende Vereinfachungen («What if you could trade a paperclip for a house«) oder ungewöhnliche Analogien – ihr Publikum will herausfinden was es damit auf sich hat, es bleibt neugierig und wird dranbleiben.

Reizwörter nutzen

Die Werbung kennt es spätestens seit Playboy: «Sex sells» – aber nicht nur. Generell behält unser Hirn Dinge besser in Erinnerung, wenn sie in einem emotionalen oder erregenden Kontext stehen. Das schaffen auch andere Gefühle wie Wut, Freude, Trauer oder Angst. Ob Sex wirklich zu besseren Absätzen führt, ist mittlerweile umstritten. Sicher aber wecken Reizwörter spezielle Emotionen und damit Aufmerksamkeit. Das zeigen auch die meistgesehenen Ted-Talks, wo das Thema Sex ebenfalls allgegenwärtig ist.

Ich würde davon abraten alles mit Sex verknüpfen zu wollen. Aber es gibt weitere Reizthemen, die dazu führen, dass sich ihr Publikum plötzlich wieder aufrecht hinsetzt. Dazu zählen auch etwa Geld, Glauben, Beziehungen, Kinder oder polarisierende Persönlichkeiten. Ebenfalls gibt es eine Vielzahl von Reiz- oder Triggerwörter, die emotional aufgeladen sind: «einfach, gratis, neu, geheim, sofort, entdecken, etc…». Was die Werbung tagtäglich nutzt (checken sie nur mal ihre Werbe-Mails), können auch Sie in ihr Referat einfliessen lassen. Vielleicht schaffen sie es ja ihr Thema mit solchen Reizthemen und Wörtern einzuleiten. Das Hormoncocktail, das dadurch ausgelöst wird, steigert auch die Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer.

 

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